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Die Entscheidung für das Projekt “Stalinallee” hatte mehrere Gründe.
Zum einen sollte die Leistungsfähigkeit der Bauwirtschaft unter sozialistischen Bedingungen demonstriert werden. Zum anderen sollte ein Herzstück in der
Hauptstadt der DDR geschaffen werden, ein zentraler Ort, an dem sich auch eine neue Lebensart und Lebensfreude spiegeln konnte. Nicht zuletzt aber ging
es auch darum zu zeigen, dass in diesem Staat Arbeiter unter völlig neuen Bedingungen einen exklusiven Wohnkomfort genießen konnten. Gewissermaßen
also eine Vision vom neuen Leben. Ob der Begriff “Arbeiterpaläste” zu diesem Zeitpunkt geboren wurde ist nicht sicher, aber er tauchte immer wieder auf und
umschrieb die neue Lebensqualität.
Welchen Komfort boten nun diese “Arbeiterpaläste”?
Im Jahr 1965, 13 Jahre nach Fertigstellung, bezogen meine Eltern mit mir eine Dreizimmerwohnung im Block C-Süd.
Die
Wohnung
nimmt
mit
drei
Zimmern
(zwischen
18
und
22
m²),
Küche,
Bad,
Flur
und
einem
etwa
4
m²
großen
Abstellraum
knapp
100
m²
ein.
Alle
Zimmer
sind
durch
ihre
3-teiligen
Doppelfenster
hell
und
freundlich.
Die
Fenster
besitzen
Oberteile,
von
denen
sich
die
jeweils
äußeren
anklappen
lassen.
In
der
Küche
und
im Bad lässt sich das gesamte Oberteil anklappen.
Am
Wohnzimmer
befindet
sich
ein
Balkon.
Die
Zimmertüren
sind
verglast
und
bringen dadurch zusätzlich Helligkeit.
Die
Küche
besitzt
eine
kleine
geräumige
Speisekammer
und
ein
fest
installiertes
Abwaschbecken (1965).
Im
Bad
sind
der
Fußboden
komplett
und
die
Wände
bis
etwa
zur
Hälfte
gefliest.
Waschbecken
und
Badewanne
besitzen
getrennte
Armaturen.
Die
Versorgung
mit
Warmwasser und Heizung erfolgte zu diesem Zeitpunkt schon über Fernwärme.
Alle Fußböden sind mit PVC-Bodenbelag ausgelegt.
Jede
Etage
hat
Zugang
zu
drei
Wohnungen.
Neben
den
Zähleranlagen
für
Strom
und
Gas
befand
sich
hier
auch,
in
einem
sehr
kleinen,
separaten
Raum,
der
Müllschlucker. Im Zuge der Sanierung wurde dieser allerdings stillgelegt.
Die
Etagen
sind
durch
einen
Aufzug
verbunden.
Zur
damaligen
Zeit
hatten
alle
Mieter
Zugang
zum
so
genannten
Dachgarten.
Das
Dach
war
vollflächig
eben
und
ungehindert
über
vier
Aufgänge
begehbar.
Viele
Hausgemeinschaften
nutzen
diese
Möglichkeit für kleine, gemeinsame Feiern.
Das
Erdgeschoss
wird
durch
ein
zweitüriges
Portal
betreten.
Bereits
in
der
Planung
beinhaltet
war
eine
Ruf-
und
Türöffneranlage.
Damit
war
jede
Wohnung
gleichzeitig
mit
Telefon
ausgestattet.
Aber
obwohl
man
mit
dem
Telefon
auch
eine
korrekte
Amtsnummer
besaß
musste
ein
Antrag
auf
Telefonanschluss
bei
der
Post
gestellt
werden
und
hatte
die
gleiche
Bearbeitungszeit
wie
im
Rest
der
Republik.
Der
Vorteil:
Eingehende
Anrufe
konnten
entgegengenommen
werden.
Zumindest
also
ein halber Anschluss!
Das
Erdgeschoss
beeindruckte
(und
beeindruckt
noch
heute)
durch
Raum
und
Größe.
Neben
einer
Briefkastenanlage
und
(damals)
einer
integrierten
Telefonzelle
gab
es
hier
Hausmeisterraum,
Fahrradraum
und
einen
“Wandelgang”
der
vier
Aufgänge
miteinander verband.
Die
Miete
betrug,
bis
zur
Wende,
98,-
Mark
der
DDR
inclusive
Nebenkosten,
Wasser-
und Wärmeversorgung.
Grundsätzlich
waren
Mieten
in
der
DDR
subventioniert.
-
Bei
dieser
Größenordnung
und
der
wirtschaftlichen
Lage
der
DDR
wird
aber
schnell
klar,
warum
die
Bebauung
in diesem Stil nicht bis zum Alexanderplatz fortgesetzt wurde.
Zwei Dinge sollten nicht unerwähnt bleiben.
1.
Die
Wohnanlage
einschließlich
der
Außenanlage
wurde
auch
durch
die
Mieter
gepflegt
und
instand
gehalten.
Treppenhausreinigung,
Grünanlagenpflege
und
Renovierungsarbeiten sind nur drei Beispiele von vielen.
2.
Die
Wohnsituation
zum
damaligen
Zeitpunkt
war
nicht
repräsentativ,
auch
nicht
für
die
Hauptstadt.
Wohnungen
mit
Ofenheizung,
ohne
Bad,
mit
Außentoilette,
maroden
Fenstern
und
Sanitäranlagen
und
nicht
unerheblichen
Mängeln
in
der
Bausubstanz
waren
eher
die
Regel
als
die
Ausnahme.
Eine
grundsätzliche
Verbesserung
trat
erst
mit
dem
Wohnungsbauprogramm
Ende
der
60er
Jahre
ein.
In
der
Karl-Marx-Allee
finden
wir
die
“Plattenbauten”
zwischen
Andreas-
und
Koppenstraße,
der
Stelle
also,
wo
auf
einer
Seite
das
Stalindenkmal
und
auf
der
anderen
Straßenseite
die
Sporthalle
stand.
Viele,
die
heute
abfällig
von
der
“Platte”
sprechen
haben
damals
eine
Flasche
Sekt
geöffnet
und
mit
Freude
die
neue
Wohnung bezogen.
Der Mensch ist vergesslich!
Bundesarchiv Bild 183-18095-0019 Foto: Krueger
Blick von der Balustrade C-Süd zur Deutschen
Sporthalle. 24. Januar 1953
Bundesarchiv Bild 183-46534-0002 Foto: Hesse, Rudol
Viel
Raum
bot
auch
das
Hinterland
von
C-Süd.
Der
Zustand
auf
dem
Bild
von
1955
entspricht
nicht
ganz
dem
Stand
von
1965.
Zwei
große
Rasenflächen,
umrahmt
von
Blumenrabatten
im
Zentrum,
verschiedene
Hecken-
pflanzen
und
zwei
Spielplätze
boten
viele
Möglichkeiten
der
Entspannung.
Den
südlichen
Abschluss
der
Anlage
bildete
ein
Garagenkomplex,
der
Anfang
der
70er
Jahre
einem
Schulneubau
weichen
musste,
ebenso
wie
ein
Teil
der
Grünanlage.
Im
Hintergrund
rechts
sind
die
Altbauten
der
Fruchtstraße
zu
sehen.
Daneben
führt,
wie
auch
auf
der
Westseite, eine Einfahrt durch den Wohnblock.
Bundesarchiv Bild 183-15161-0001
Foto: Junge, Peter Heinz
Bundesarchiv N 1648 Bild KD0 1009 Foto: Beier, Manfred
Bundesarchiv Bild 183-32583-0004
Foto: Quaschinsky, Hans Günterr
Bundesarchiv Bild 183-29682-0005
Foto: Weiß
Bundesarchiv Bild 183-53588-0001
Foto: Junge, Peter Heinz
Bundesarchiv Bilder 183-50549-0001 und -0002 Foto: Weiß, Günter
Zu den Blocks in der Stalinallee gehörten Waschhäuser. Hier war es möglich die Wäsche selber zu
waschen oder waschen zu lassen.
Bestellte man seine Wäsche “schrankfertig” gab man sie früh beim Waschmeister ab und erhielt sie am
Abend gewaschen, gemangelt und zusammengelegt wieder.
Das Heizkraftwerk Rüdersdorfer Straße lieferte die Wärmeenergie für Heizung und Warmwasser.
Wie alle Ostberliner Kraftwerke war das Hauptprodukt nicht Strom sondern Wärme, die aus
Rohbraunkohle gewonnen wurde.
Waschmaschinen für die
Wohnblocks in der Stalinallee
Im VEB Maschinen- und
Gerätebau in Weissensee
werden Waschmaschinen
hergestellt, die in die
Waschhäuser der Stalinallee
eingebaut werden. Die erste
Maschine dieser Art ist bereits
für den Anschlussblock 15
zum Hochhaus auf der
Weberwiese aufgestellt
worden und wird in Kürze in
Betrieb genommen.
Von Anfang an war die Stalinallee nicht nur als Wohnstraße konzipiert. Sie sollte vielmehr eine Einkaufs- und Bummelmeile sein. Dabei sollte sie
Menschen, besonders Berlin-Besucher anziehen. Alle Blöcke hatten deshalb im Erdgeschoss Räumlichkeiten für Läden oder Restaurants.
Im Bereich von C-Süd gab es zwei Lebensmittelläden, zwei Fleischer, ein Café, einen Fischladen, die “Karl-Marx- Buchhandlung”, das “Haus der Stoffe” und
einen Gemüseladen. Dazu kam auf der Nordseite das Restaurant “Haus Budapest”, ein Fachgeschäft für Radio und Fernsehen, “Jugendmode” und
“Damenmode”, ein Schuhgeschäft und das “Lichthaus”, ein Fachgeschäft für Lampen und Elektroartikel.
Das ehemalige Waschhaus zum Block C-Süd
Die Stalinallee Ecke Fruchtstraße in Blickrichtung Frankfurter Tor am
30. April 1955. Die Häuser bereits im Fahnenschmuck für den 1. Mai. Für alle
Wohnungen war eine Beflaggung zu staatlichen Feiertagen vorgeschrieben.
Wir erhielten eine rote und eine DDR-Fahne zum Einzug mit übergeben. Auch welche
Fahne an welches Fenster kam war festgelegt.
Bei Versäumnis wurde man spätestens am Vortag erinnert
Briefmarke zum 20. Jahrestag der DDR 1969
Wie für jeden Bezirk gab es in der Serie auch
eine Marke für Berlin
Der Block C-Süd schließt auf der Seite der Straße der Pariser Kommune und
auf der Seite der Koppenstraße mit dem Ost- bzw. Westflügel ab. Beide Seiten
erhielten eine Durchfahrt durch die man die Rückseite mit seiner Grünanlage
erreicht.
Die Lampen sind moderner geworden, die schmiedeeisernen Tore sind noch
im Original erhalten.
Bundesarchiv Bild 183-33041-0013 Foto: Weiß, Günter
Bundesarchiv Bild 183-B1007-0014-001 Foto: Krisch, Werner
1960 - 1962 wurde in der Karl-Marx-Allee 131 das Kino “Kosmos” gebaut.
Als Premierenkino war es bis 1989 eines der modernsten und gleichzeitig,
mit 1000 Sitzplätzen, das größte Kino in der DDR. Viele bekannte Filme
gelangten hier zur Erstaufführung, darunter
z.B. “Die Legende von Paul und Paula” im Jahr 1973.
Bundesarchiv Bild 183-91638-0001 Foto: Stolle
Die Allee verfügte durchweg über moderne Lichtsignalanlagen, die in den
60er Jahren an größeren Kreuzungen, wie hier zur Warschauer Straße,
manuell von diesen verglastenTürmen gesteuert wurden.
Später wurden diese Anlagen automatisiert und über angezeigte
Richtgeschwindigkeiten zur “Grünen Welle” ausgebaut. Das bedeutete, dass
man im Idealfall vom Alexanderplatz bis zur Lichtenberger Brücke ohne Halt
fahren konnte. Das zunehmende Verkehrsaufkommen arbeitete allerdings
mit der Zeit erfolgreich dagegen.
1965 floss auf der Allee in den Spitzenzeiten weniger Verkehr als heute in
der Nacht.
Bundesarchiv Bild 183-64142-0001 Foto: Schmidt, Martin
Auch kulinarische Spezialitäten hielt die Allee bereit.
Neben dem “Café Warschau” mit seinem musikalischen Gartenlokal konnte
man gleich nebenan im “Haus Budapest”, im Restaurant in zwei Etagen oder
dem “Matthiaskeller”, ungarische Spezialitäten genießen.
Ein Stück weiter ostwärts, im Block G, befand sich das Restaurant “Bukarest”
und am Strausberger Platz, im Hochhaus A-Nord, das “Haus Berlin” mit
Barbetrieb und Tanz.
Dazwischen gab es eine Reihe von kleineren Gaststätten und Cafés,
wie z.B. das “Café Sibylle”.
Bundesarchiv Bild 183-38017-0001
Foto: Hesse, Rudolf
Bundesarchiv Bild 183-81523-0001
Foto: Schneider, Erwin
Bundesarchiv Bild 183-39571-0002
Foto: Weiß, Günter
Ein Blick auf die Rückseite des südlichen Abschnitts der Karl-Marx-Allee im Jahr 1963.
Links zu sehen der Block D mit dem anschließenden Laubenganghaus am U-Bahnhof Marchlewskistraße. Im Hintergrund die Türme vom Frankfurter Tor.
In der Mitte die zeilenmäßig angeordneten Häuser der Wohnzelle Friedrichshain. Rechts die Weberwiese mit dem nach ihr benannten Hochhaus.
Bundesarchiv Bild 183-B1016-0010-001 Foto: Voigt
Arbeiterpaläste
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